Leseprobe – NOMADS 12 – Gesprengte Ketten (unlektoriert)
German
Ben Porter beobachtete die Festung aus sicherer Entfernung durch das Okular seines Fernglases. Die Wasserlinsen, von magnetischen Feldern in ihrer Form gehalten lieferten ein gestochen scharfes Bild des Zieles. Bis jetzt schien alles ruhig, doch das konnte sich schnell ändern. Inzwischen war er sicher, dass die ganze Gegend untertunnelt war. Ein künstliches Höhlensystem, bevölkert von Franks. Anders war der Vorfall einige Tage zuvor nicht zu erklären. Wie sonst konnten die Scheusale unvermittelt in seinem Rücken auftauchen, die Siedlung, mitsamt dem Stützpunkt überrennen und sich so plötzlich wieder aus dem Staub machen? Ihm graute vor dem Gedanken, in ein unterirdisches Labyrinth zu steigen und auf Monsterjagd zu gehen. Sollte sich seine Vermutung als richtig herausstellen, würde ihm nichts anderes übrig bleiben, als genau das zu tun.
Er duckte sich hinter den Wall aus Felsbrocken und widmete sich den Monitoren, vor dem sein Funker saß. Die Symbole auf den Bildschirmen verrieten Porter, dass seine Leute sechs Positionen um die Festung bezogen hatten. Alle Posten meldeten keine besonderen Vorkommnisse, alles schien ruhig. Fast zu ruhig. Selbst das Flüstern des Windes, der immer über den körnigen Sand der Ebene wehte, war verstummt. Es fühlte sich an, wie der Moment vor dem großen Knall. Ein Moment, der sich quälend lange hinzog.
Porter widmete seine Aufmerksamkeit einem Soldaten, der mit einem tellerförmigen Seismophon auf Geräusche im Erdboden horchte. Mit beiden Händen presste er den altmodischen mit Kabeln am Gerät verbundenen Kopfhörer gegen seine Ohren. Das Gesicht des Mannes wirkte angespannt. Im nächsten Augenblick sah er Porter an.
„Ich höre Bewegung“, flüsterte er. „Klingt, als würden Tore geöffnet.“
Benjamin Porter studierte die Markierungen der Sekundärziele auf einem der Monitore, die er Stunden zuvor gesetzt hatte. Es waren gut vierzig kleine Punkte, die Blake unter Beschuss nehmen sollte, sobald er die Festung flugunfähig geschossen hatte. Es wurde Zeit, dass der verdammte Pirat endlich auftauchte und Feuer vom Himmel regnen ließ.
Porter richtete seinen Blick in die Höhe. Irgendwo dort oben, am blauen Wüstenhimmel sollte das geheimnisvolle Schiff mit dem Namen Achilles und der neuen Waffe jetzt auftauchen.
„Ich höre sie!“ Der Soldat am Horchgerät rang darum, nichtseine Fassung zu verlieren. „Es sind verdammt viele.“
Porter wendete den Blick nicht ab. Es starrte in das leuchtende Firmament, als sei es ihm nur durch seinen Willen möglich, die Achilles in Richtung Erde zu ziehen.
„Sie nähern sich schnell!“, verkündete der Soldat. „Sie werden gleich bei den ersten Markierungen sein.
Auf die Flotte war noch nie verlass, überlegte sich Porter. Seit Jahren immer dasselbe Problem. Ich hätte mich nie auf die Armleuchter vertrauen dürfen. Es wäre gescheiter, seinen Leuten den Rückzugsbefehl zu geben. Sie sollten sich alle unverzüglich aus dem Staub machen. Besser ein Leben als Deserteur, als von den Klauen der Franks in Stücke gerissen zu werden.
Auch unter der Crew breitete sich Unruhe aus. Gegen die Akkatos zu Kämpfen, war eine Sache. Es mit Franks zu tun zuhaben war etwas völlig anderes. Diesen Monstern in die Hände zu fallen, löste bei noch so verwegenen Kriegern Angst aus. Auch Benjamin überkam eine Gänsehaut, bei dem Gedanken in die Klauen der Bestien zu geraten. Ganz abgesehen davon was passieren mochte, wenn sie einen in die Festung brachten.
„Was sollen wir machen, Cap?“, fragte ein Soldat schließlich.
„Wir waren!“, gab Porter zurück. „Denkt ihr, weglaufen bringt was?“
Porter las in den Gesichtern seiner Leute, dass Fliehen im Augenblick eine Option darstellte. Er fühlte, wie seinen unerschrockenen Kriegern, die Angst in die Glieder kroch. Er verzieh es ihnen. Auch er dachte daran, von hier zu verschwinden.
Porter sah nach oben. Der Himmel zeigte sich noch immer blau und unverändert.
„Komm schon“, zischte Porter. „Macht nur einmal euren Job.“
„Ben?“ Einer der Männer trat an ihn heran. „Wir gehen hier drauf. Für nichts.“
Ben Porter wirbelte herum. „Sprich mich nicht so von hinten an Harry.“
„Ich bin es nicht, vor dem du Angst haben musst.“
„Wir warten ab.“
„Das ist eine riesen Dummheit.“
„Du wirst machen, was ich sage.“
„Ist noch jemand meiner Meinung?“
„Hier wird nicht über Befehle abgestimmt! Die Truppe ist keine Demokratie.“
Plötzlich flackerten Blitze auf. Porter wirbelte herum. Unwillkürlich richtete sich sein Blick in die Höhe. Ein großes Schiff leuchtete im Sonnenlicht am blauen Himmel. Es wirkte unnatürlich nah, obwohl es gewiss vierzig oder fünfzig Kilometer über der Erdoberfläche schwebte und aus zwei immensen Geschützen am Bug auf die Festung schoss. Flammen und Explosionen hüllten das Akkatoschiff ein. Das Heck der Festung zerbarst in einer grellen Detonation.
Porter wendete sich ab, widmete sich einem der Monitore und markierte mit der Fingerspitze einige Stellen auf der Ebene zwischen seiner Position und der Festung. Nur einige Sekundenbruchteile darauf beharkte das fremde Schiff die Wüste. Der Boden bebte und eine heiße Druckwelle fegte heran. Porters Leute warfen sich im Schutz der Felsen zu Boden.
„Ich bin noch nicht überzeugt!“, meinte einer seiner Soldaten. „Die Franks sind zäh.“
Porter gab weitere Zielpunkte ein und wieder ging ein Plasmahagel auf die Ebene nieder. Er sah nach oben. Bevor ihm die Rauch und Staubwirbel die Sicht nahmen, erkannte er kleinere Begleitschiffe. Ebenfalls ausgerüstet mit ähnlicher Vernichtungskraft wie ihr Mutterschiff.
Das Land verdunkelte sich. Sturm kam auf. Sandkörner und Steine prasselten herab, während weitere Explosionen das Land in einen qualmenden Acker verwandelten. Die aufgeworfene Erde regnete zurück auf Porter und seine Leute. Es dauerte eine Ewigkeit, bis sich der Tumult beruhigte und sich der Staub legte.
Vorsichtig spähte Porter über die Felsen hinweg in Richtung der Festung. Das Schiff der Akkato brannte. Aus großen Löchern quoll dichter Rauch. Die Umgebung von zahllosen Salven in eine Kraterlandschaft verwandelt. Es schien einige Meter abgesackt zu sein, als wäre ein gewaltiges, unterirdisches Labyrinth kollabiert.
„Hat alle Franks begraben“, folgerte einer der Soldaten, in Porters Truppe, der die Verwüstung staunend betrachtete.
„Hoffen wir, dass da keiner überlebt hat“, antwortete Porter und sah zum Himmel hinauf.
Neben dem großen Schiff, das wie eine überdimensionale Klinge in Richtung Erde zielte, formierten sich die vielen anderen Raumfahrzeuge, die Porter gesehen hatte, bevor sie ein Inferno entfesselten. Zum ersten Mal keimte in Benjamin Porter die Hoffnung auf es mit den Pferdeköpfen aufnehmen und sie von der Erde vertreiben zu können.
„Das hat alles viel zu lange gedauert“, murmelte er.
„Ich fand, sie kamen gerade rechtzeitig“, antwortete der Soldat.
„Das meine ich nicht“, gab Porter zurück, den die Schlichtheit seiner Kameraden auf die Nerven ging. „Das Problem mit den Pferdeköpfen besteht planetenweit. Es ist nicht nur unsere Angelegenheit. Wird Zeit, dass ihr mal über den Tellerrand seht.“
„Es genügt, wenn wir hier aufräumen. Was gehen uns andere Leute an, die weit weg sind.“
Früher hatte Porter ebenso gedacht. Doch inzwischen war ihm klar, dass Probleme immer in größerem Zusammenhang sehen musste, wollte man wirklich etwas verändern. Bis vor wenigen Momenten hatte er noch Verständnis für seine Kameraden gehabt. Mit begrenzten Mitteln gab es auch nur begrenzte Möglichkeiten. Mit seinem Bruder hatte er viele Diskussionen über diesen Aspekt geführt. Bis heute hatte er Dominics Idealismus als pure Selbstgefälligkeit und Dummheit abgetan. Jetzt aber waren die Karten neu verteilt und die Menschheit besaß ein gutes Blatt. Keinen Royal Flush, aber immerhin ein solider Straight.
Das Dröhnen von Triebwerken riss Porter aus seinen Gedanken. In geringer Höhe schossen zwei kleine Truppentransporter, samt ihrem Begleitschutz heran und über ihre Köpfe hinweg. Sie kamen aus Ramona Jablonskis Stützpunkt und flogen südwärts. Sie überquerten die Ruinen von Phoenix und verschwanden bald in der Ferne.
„Weist du von einem Einsatz im Süden?“, fragte der Soldat.
„Nein“, antwortete Porte. „Was sollte dort auch sein, dass uns was angeht?“
„Zwei Transporter? Das ist keine Kleinigkeit.“
„Weiss ich auch. Da kann es um nichts in der Nähe gehen. Das hätte mir Ramona oder ihr Bruder gesagt. Die fliegen weiter weg.“
„Die Rakara?“
„Verbinde mich mit dem Stützpunkt“, befahl Porter dem Funker. „Ich will mit Ramona sprechen.“
English
Reading Sample – NOMADS 12 – Broken Chains (unedited)
Ben Porter observed the fortress from a safe distance through the eyepiece of his binoculars. The water lenses, held in shape by magnetic fields, provided a razor-sharp image of the target. So far, all seemed quiet, but that could change quickly. By now, he was assured that the entire area was tunneled. An artificial cave system, populated by Franks. There was no other way to explain the incident a few days earlier. How else could the vile ones suddenly appear at his back, overrun the settlement, along with the base, and make off so abruptly? He dreaded the thought of climbing into an underground labyrinth and going on a monster hunt. If his hunch turned out to be correct, he would have no choice but to do just that.
He ducked behind the wall of boulders and turned his attention to the monitors in front of which his radio operator sat. The symbols on the screens told Porter that his men had taken up six positions around the fortress. All posts reported no special incidents; everything seemed quiet. Almost too quiet. Even the whisper of the wind that always blew across the grainy sands of the plain had fallen silent. It felt like the moment before the big bang. A moment that dragged on for an agonizingly long time.
Porter turned his attention to a soldier listening for sounds in the ground with a plate-shaped seismophone. With both hands he pressed the old-fashioned headphones connected to the device with cables against his ears. The man’s face looked strained. In the next instant, he looked at Porter.
„I hear movement,“ he whispered. „Sounds like gates opening.“
Benjamin Porter studied the secondary target markings on one of the monitors he had set hours earlier. There were a good forty small dots that Blake was to take under fire once he had shot the fortress flightless. It was time for the damn pirate to finally show up and rain fire from the sky.
Porter turned his gaze upward. Somewhere up there, in the blue desert sky, the mysterious ship with the name Achilles and the new weapon should now appear.
„I hear them!“ The soldier at the listening device struggled not to lose his composure. „There are a hell of a lot of them.“
Porter did not avert his eyes. It stared into the luminous firmament as if it were only possible for him to pull the Achilles toward the earth by his will.
„They’re approaching fast!“ the soldier announced. „They’ll be at the first markers in a moment.
The fleet has never been reliable, Porter reflected. Always the same problem for years. I should never have relied on the poor guys. It would be wiser to give his people the order to retreat. They should all get the hell out of there immediately. Better a life as a deserter than being torn to pieces by the claws of the Franks.
Unrest was also spreading among the crew. Fighting the Akkatos was one thing. Having to deal with Franks was something else entirely. To fall into the hands of these monsters caused fear in even the most daring warriors. Benjamin, too, was overcome with goose bumps at the thought of falling into the clutches of the beasts. Not to mention what might happen if they brought you into the fortress.
„What do you want us to do, Cap?“ a soldier finally asked.
„We were!“ returned Porter. „Do you think running away will do any good?“
Porter read in the faces of his men that fleeing was an option at the moment. He felt fear creep into the limbs of his intrepid warriors. He forgave them. He, too, was thinking of getting out of here.
Porter looked up. The sky was still blue and unchanged.
„Come on,“ Porter hissed. „Just do your job for once.“
„Ben?“ One of the men approached him. „We’re getting killed here. For nothing.“
Ben Porter whirled around. „Don’t talk to me from behind like that Harry.“
„It’s not me you need to be afraid of.“
„We’ll wait and see.“
„That’s a huge stupid thing to do.“
„You will do as I say.“
„Does anyone else agree with me?“
„There’s no voting on orders here! The troops are not a democracy.“
Suddenly, lightning flickered. Porter whirled around. Involuntarily, his gaze turned upward. A large ship shone in the sunlight in the blue sky. It seemed unnaturally close, although it certainly hovered forty or fifty kilometers above the earth’s surface, firing at the fortress from two immense guns on its bow. Flames and explosions enveloped the Akkato ship. The stern of the fortress burst in a lurid detonation.
Porter turned away, turned to one of the monitors, and marked a few spots on the plain between his position and the fortress with his fingertip. Only a few fractions of a second later, the alien ship raked the desert. The ground shook and a hot blast wave swept in. Porter’s people threw themselves to the ground under the protection of the rocks.
„I’m not convinced yet!“ one of his soldiers commented. „The Franks are tough.“
Porter entered more aiming points and again a hail of plasma descended on the plain. He looked up. Before the smoke and dust swirls obscured his view, he recognized smaller escort ships. Also equipped with similar destructive power as their mother ship.
The land darkened. Storm came up. Grains of sand and rocks pelted down, while more explosions turned the land into a smoking field. The upturned earth rained back on Porter and his men. It took an eternity for the commotion to calm and the dust to settle.
Porter cautiously peered over the rocks in the direction of the fortress. The Akkato ship was on fire. Dense smoke poured out of large holes. The surrounding area had been turned into a cratered landscape by countless salvos. It seemed to have sunk several meters, as if a vast underground labyrinth had collapsed.
„Buried all the Franks,“ concluded one of the soldiers, in Porter’s squad, who gazed in wonder at the devastation.
„Let’s hope no one survived there,“ Porter replied, looking up at the sky.
Next to the large ship, which pointed like an oversized blade toward Earth, formed the many other spacecraft Porter had seen before unleashing an inferno. For the first time, Benjamin Porter felt hopeful that he could take on the horseheads and drive them from Earth.
„This has all taken far too long,“ he muttered.
„I thought they came just in time,“ the soldier replied.
„That’s not what I mean,“ returned Porter, who was annoyed by the simplicity of his comrades. „The problem with horseheads is planet-wide. It’s not just our concern. It’s about time you guys thought outside the box.“
„It’s enough for us to clean up here. What do we care about other people who are far away.“
Porter used to think the same way. But in the meantime it had become clear to him that problems always had to be seen in a larger context if one really wanted to change something. Until a few moments ago, he had still had understanding for his comrades. With limited means there were also only limited possibilities. He had had many discussions with his brother about this aspect. Until today, he had dismissed Dominic’s idealism as pure complacency and stupidity. Now, however, the cards had been redistributed and mankind possessed a good hand. Not a royal flush, but a solid straight nonetheless.
The roar of engines snapped Porter out of his thoughts. At low altitude, two small troop carriers, along with their escorts, shot up and over their heads. They were coming out of Ramona Jablonski’s base and flying southward. They crossed the ruins of Phoenix and soon disappeared into the distance.
„Do you know of a mission in the south?“ the soldier asked.
„No,“ Porte replied. „What should be there, too, that’s any of our business?“
„Two vans? That’s no small feat.“
„I know that, too. It can’t be about anything nearby. Ramona or her brother would have told me that. They fly farther away.“
„The Rakara?“
„Connect me to base,“ Porter ordered the radio operator. „I want to talk to Ramona.“