NOMADS LEGACY – HÖRBUCH (Der unendliche Traum – Kapitel 1-2)

NOMADS LEGACY – Hörbuch (Kapitel 1-2)

Der Unendliche Traum. Gelesen von Georg Bruckman

Eine weiteres Hörbuch Kapitel. In diesem Fall stammt die Lesung nicht aus der NOMADS Reihe um Dominic Porter. Bei “Der Unendliche Traum“ handelt es sich um eine Geschichte, die zwar im NOMADS Unversum spielt, jedoch zu einem Zeitpunkt der weiter in der Zukunft liegt. NOMADS spielt im 5. Jahrtausend, wohingegen NOMADS LEGACY im 130. Jahrtausend angesiedelt ist.

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NOMADS – LEGACY
Short Stories

Der Unendliche Traum

Von
Allan J. StarkDenn jetzt sehen wir mit Hilfe eines metallenen Spiegels in verschwommenen Umrissen. Dann aber wird es von Angesicht zu Angesicht sein. Jetzt erkenne ich teilweise. Dann aber werde ich genau erkennen, so wie ich genau erkannt worden bin.

(Paulus von Tarsus)

Kapitel 1

Die Hölle von Kassun

Erinnerungen, Träume und reale Eindrücke verschmolzen zu einer bizarren Szenerie aus Glut und Flammen. Sareena spürte die heiße Sonne, aus dem Wüstenland und die donnernde Brandung des ungestümen Ozeans ihrer Heimatwelt. Fröhliches Gelächter und Todesschreie vereinten sich zu einer grauenhaften Sinfonie, durchsetzt mit den Erinnerungen an das Rauschen von Wind in den Bäumen und dem krachenden Grollen vernichtender Explosionen. Es klang wie ein Gewitter. Traumbilder, aus den unbeschwerten und heiteren Tagen, die sie im Dienste des Hauses Komeru verbracht hatte, bis zu seinem flammenden Untergang vor wenigen Stunden. Traumbilder, die nun zu verblassen begannen.
Als Sareena die Augen öffnete, wurde sie von gleißendem Licht geblendet. Feuer und Funken. Blitze und Rauch. Schemen, die wie Geister in einem lodernden Höllenschlund zu schweben schienen. Ein ohrenbetäubender Lärm dröhnte in ihren Ohren. Beißender Qualm stieg in ihre Nase und stach ihr in die Augen.
Sareena kniff unwillkürlich die Augen zusammen, wandte sich ab und fiel. Von den Eindrücken überwältigt, schwanden ihr die Kräfte. Erneut formten sich Visionen in ihrem Sinn, genährt aus den schmerzhaften Erfahrungen der vergangenen Tage und Stunden. Da waren Soldaten, kämpfend und sterbend in einem aussichtslosen Gefecht. Detonationen. Flammen. Schüsse. Und der bestialische Gestank von verbranntem Fleisch.
Wieder und wieder durchlitt Sareena den furchtbaren Moment ihres Versagens. Den Augenblick, als neben ihr eine Wand explodierte und sie in eine Wolke aus Staub und Trümmern hüllte. Jene Sekunde, als sie herumwirbelte und versuchte, ihren Körper zwischen den König und die Angreifer zu werfen, die gleich aus dem Riss in der Mauer hervorbrechen würden. Aber Sareena tat nichts, sondern erstarrte, als sie ihre Prouque-Pistole auf einen einzelnen jungen Mann richtete, der ihr aus Feuer und Rauch wie ein Todesengel entgegentrat. Sareena, aus dem Kriegerorden der Tengiji, war wie betäubt, als ginge ein Zauber von diesem Mann aus, der ihr die Sinne raubte. Wie schön er ist, dachte sie noch, unfähig zu reagieren. Sie war von seinem Aussehen wie geblendet. Es schien ihr unmöglich, sich zu wehren, sollte er sie angreifen. Sie regte sich nicht. Selbst dann nicht, als er mit seiner Strahlenwaffe auf sie zielte. Gerade als sie, in einem halbherzigen Verteidigungsversuch, ihre Vibroklingen hob, traf sie der Schuss aus seiner Waffe. Sareena ging in die Knie und stürzte die Stufen einer flachen Treppe hinunter. Ihr König wurde vor seinem Thron, oberhalb der Empore, von vielen Salven niedergestreckt, während sie, seine Leibwächterin, auf den Boden prallte und das Bewusstsein verlor.

Sareena dämmerte aus ihrem Halbschlaf heraus. Sie lag auf dem Boden, fühlte das Brummen starker Triebwerke und das Rumpeln einer schweren Hydraulik. Sie war an Bord einer Raumfähre, die gerade zur Landung angesetzt hatte und das Fahrwerk herausfuhr. Ein Stoß ging durch das Fahrzeug, als es den Boden berührte und sich die Frachtluke öffnete. Helles Licht flutete herein. Unwillkürlich schloss Sareena die Augen. Sie hörte das Poltern schwerer Stiefel und unvermittelt versetzte jemand Sareena einen Tritt. Sie war sofort hellwach. Die Traumbilder verblassten. Reflexartig fuhr sie hoch und verteidigte sich, wie sie es als Tengiji gelernt hatte. Aber der hünenhafte Akkato in seinem schweren Schutzmantel wehrte ihren kraftlosen Angriff beiläufig ab, als würde er eine Fliege verscheuchen. Gleichzeitig bekam er Sareena am Handgelenk zu fassen und verdrehte ihr schmerzhaft den Arm. Die junge Frau kannte die Stärke der Akkatos und wusste, dass er ihr spielend die Knochen brechen konnte.
„Keine Dummheiten, du Göre“, knurrte der Riese in einem breiten, kehligen Dialekt. „Sonst reiß ich dich in Stücke.“
Er hob die Tengiji in die Höhe wie eine Puppe und schleuderte sie hinaus aus dem Laderaum Raumfähre, welche das Mädchen und etliche andere Gefangene transportierte.
Die junge Frau schlitterte über einen harten, zementierten Boden. Warme Wasserpfützen überall. Die Luft dampfig, rauchgeschwängert. Die Wände schienen zu glühen und flüssiges Gestein rann in Bächen über die schrundigen Felswände, um in irgendwelchen Kanälen zu verschwinden. Überall sah sie Menschen und andere Wesen in derbe Schutzanzüge gehüllt, die Lasten und Geräte herumschleppten oder Wägen mit Metallbarren vor sich her schoben. Andere trugen Bohrgeräte, Hämmer, Hacken und Schaufeln.
Ein heißer Nieselregen benetzte Sareenas Gesicht. Gerade aus ihrer Ohnmacht aufgewacht, verlangte der bizarre Anblick dieser fremden Umgebung ihrem Geist alles ab. Dies also war Kassun, eine Tauvaruwelt im berüchtigten Koliussektor. Die Hölle der Gerechten, wie man diese Welten auch nannte, war die Endstation vieler Bewohner Asgaroons, die bei den Herrschern in Ungnade gefallen waren. Orte der Verbannung, von denen niemals jemand wiederkehrte. Sareena wurde übel. Ihr Magen verkrampfte sich. Gleich würde sie sich übergeben. Sie musste sich wieder unter Kontrolle bringen und sich sammeln, aber es gelang ihr nicht. Ihre Nerven drohten zu versagen und schon stapfte der schlecht gelaunte Akkato wieder auf sie zu.
„Steh auf, du Weichhaut!“, brüllte er zornig. „Verdammtes Menschenweib!“ Von seiner blonden Haarmähne troff das Wasser und im Glas seiner Schutzbrille reflektierte der Feuerschein, als er mit weit ausholenden Schritten die Rampe herunter polterte. „Ich werd dir Beine machen, Menschenweib!“
„Ist schon gut, Jig.“ Ein Mann in einem Schutzanzug aus steifem, braunem Leder trat zwischen Sareena und den Akkato. Er war groß – größer als ein Mensch. Sareena tippte auf einen Oponi, auch wenn sein Kopf von einer Kapuze und einer Maske verborgen war. Nach seiner Stimme zu urteilen, war er jung, wenn man das bei einem langlebigen Oponi überhaupt sagen konnte. Nach menschlichem Ermessen mochte er steinalt sein.
Jig, der Akkato, blieb stehen, fletschte lediglich die Zähne und stemmte die Fäuste in die Hüften. „Lass mir doch den Spaß“, beklagte er sich.
„Wenn du sie jetzt schon umbringst“, fuhr der Oponi fort, „wird es dir Briggo ziemlich übel nehmen. Du weißt es doch. Briggo hat gerne seinen Spaß mit den Neuen. Und wer will ihm das schon übel nehmen auf dieser langweiligen Welt am Rande von Nirgendwo.“ Er widmete Sareena einen kurzen Blick, dann sah er Jig an. „Kümmere dich um die anderen Neuankömmlinge und gib ihnen ihre Anzüge, bevor sie gekocht werden. Ich werde mich inzwischen der Kleinen annehmen.“
Jig schnaubte verächtlich und trieb die anderen Häftlinge, die zusammen mit Sareena eingetroffen waren, zu einem Haufen Kleidungsstücke hinüber. Dort konnten sie sich ihre Anzüge nach ihren Körpermaßen zusammenstellen.
„Zieh das an“, befahl der Oponi Sareena und warf ihr ein Bündel Kleidungsstücke samt Stiefel vor die Füße. „Könnte dir passen. Hat einem jungen Mann gehört, der gestern gesegnet wurde.“
Der Tod als Segen, überlegte Sareena. Auf diese Art des Glücks hatte sie noch keine Lust.
Sareena verlor keine Zeit, denn die Temperatur schien schnell zu steigen. Der Boden unter ihren Füßen wurde heiß, als stünde sie auf einer Ofenplatte. Eilig öffnete sie das verschnürte Bündel und zog die Kleider und Stiefel an.
„Genug getrödelt!“, brüllte Jig. „Ich zeige euch jetzt, wo wir euch unterbringen. Und dass mir keiner aus der Reihe tanzt.“
Der Tross von gut zwanzig Häftlingen wankte und humpelte durch die heißen Nebelschwaden hinter dem Akkato her. Ganz offensichtlich hatten etliche von Sareenas Mitgefangenen eine ähnlich ungemütliche Reise hinter sich gebracht wie die Tengiji und waren im Kampf verwundet worden. Bestimmt wären einige in einem Hospital besser untergebracht gewesen, als an diesem furchtbaren Ort, überlegte Sareena.
Der Oponi setzte sich ans Ende der Gruppe und beobachtete das Mädchen. Irgendetwas schien ihn zu beschäftigen.
Der Schutzanzug passte Sareena leidlich und es war nicht einfach, darin zu gehen. Der lederartige Kunststoff war starr wie Teerpappe und sie fühlte sich darin so, als trüge sie eine altertümliche Rüstung. Die Stiefel waren ihr etwas zu groß. Sie hatte sie fest verschnüren müssen, um nicht ständig zu stolpern. Auch die Maske schloss sich nicht hundertprozentig um ihre Gesichtskonturen. Immer wieder drang heißer Rauch unter die Maske und in ihre Lungen. Ihr Rachen brannte und ihre Augen tränten. Zumindest war Sareena nicht die Einzige, die von derartigen Problemen geplagt wurde. Unentwegt musste der Tross anhalten, wenn jemand dem Ersticken nahe war oder von heftigem Hustenreiz geschüttelt wurde. Jig fluchte und beschimpfte die Häftlinge, wünschte ihnen Tod und Teufel an den Hals und schüttelte den ein oder anderen kräftig durch.
„Sind eben keine Maßanfertigungen“, murmelte der Oponi, der hinter Sareena herging. Die Worte waren nur für sie bestimmt. „Das Meiste stammt von denen, die sich ins Jenseits verabschiedet haben. Man muss die Kleider eben anpassen. Wohl dem, der ein Schneider ist.“ Er lachte. „Von den Toten bekommen wir zwar ständig Nachschub an Kleidern, aber man muss schon Glück haben, wenn sie passen. Außerdem verlieren viele in den ersten Wochen ziemlich an Gewicht. Manche legen eher an Muskelmasse zu und gehen etwas auseinander, aber das ist die Ausnahme. Hitze und Kälte setzen dem Material zu und hat ne Menge herum zu flicken. Genau genommen tun wir in unseren wenigen freien Stunden nichts anderes, als die Anzüge anzupassen und auszubessern.“
„Scheint die sinnvollste Beschäftigung hier zu sein“, röchelte Sareena.
„Ich bezweifle, ob es einen Sinn macht, hier unbedingt überleben zu wollen“, meinte der Oponi müde. „Aber man bemüht sich trotzdem.“
„Das sind eben die verdammten Instinkte, nicht wahr?“

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