Tamiel Magua konnte über die Größe des Schlachtschiffes nur staunen, dass da im Orbit über ihren Köpfen hing. Wie ein kleiner Mond prangte es am Himmel einer tropischen Welt, deren blauer Himmel von kleinen weißen Wolken gesprenkelt war. Eingerahmt wurde der Blick auf das Schiff, von den Kronen palmenartiger Bäume. Die Blätter raschelten im Wind der nahen Küste, von woher das Geräusch einer starken Brandung an Maguas Ohren drang. Salzgeruch und der Duft von Algen wehte um seine Nase. Ein wunderbarer Ort, um der Welt zu entfliehen, überlegte er, wäre es nicht ein verdammtes Piratennest.
„Warum hast du das Schiff Sakura genannt?“, wollte Tam Magua wissen.
Seine Frage war an eine dunkelhaarige Frau gerichtet, die auf einer roten Decke im Sand saß und sich zahlreichen Hologrammen widmete, die sie wie bunte Geister vor ihr schwebten. Sie wirkte sehr beschäftigt und hatte keinen Blick für den Ozean, oder den Strand, an den türkisblaue Wellen spülten.
„Sag!“, forderte Magua auf. „Warum dieser Name?“
Die Frau hieß Zeelona. Anführerin der großen Piratenclans, weswegen man sie auch Piratenkönigin nannte. Sie richtete den Blick ihrer großen, braunen Augen auf den imperialen Agenten, löste beiläufig die Spange, die ihre Haare zusammenhielt und entließ damit eine wahre Lockenpracht, die über ihre bloßen Schultern floss.
„Sakura?“, fragte sie verwundert.
„Ja.“
„Gefällt dir der Name nicht?“
„Er ist hübsch. Aber kennst du seine Bedeutung?“
„Ich wusste nicht, dass er eine Bedeutung hat.“
Magua lehnte sich an eine der Palmen und beobachtete die Brandung. In der Nähe stand eine Raumfähre auf dem Strand, in dessen Schatten sich Zeelonas Gefolge aufhielt. Eine bunte Schar von Menschen, Akkato und anderen Spezies, mit denen allesamt nicht zu spaßen war. Der Agent kannte Zeelona und ihre Leute jetzt schon seit einiger Zeit. Nachdem Magua aus dem Koliussektor zurückgekehrt war, gehörte es zu Maguas erstem Auftrag, Kontakt zu den Piraten-Clans herzustellen. Es galt Vertrauen zwischen den Piraten und dem Thron zu schaffen. Nachdem die Mission im Koliussektor beendet war, meinte der Kaiser, in Magua den richtigen Mann dafür gefunden zu haben. Einen Mann, der lange genug unter Gesindel zugebrachte hatte, um sich in deren Denkweise hineinzuversetzen.
Er sah wieder hinauf zur Sakura.Von den Formen her erinnerte das Schiff stark an eine kaiserliche Fregatte, die man hier und da stark modifiziert hatte. Er zweifelte nicht daran, dass die Konstrukteure sich an Bauplänen des Imperiums orientiert hatten, als sie dieses Monster schufen.
„Sakura“, begann Magua zu erklären. „Das ist ein Begriff von der alten Erde. Er beschreibt die kurze Periode der Kirschblüte. Eine bedeutungsvolle Phase von Werden und Vergehen. Wobei der Gedanke von vergänglicher Pracht im Vordergrund steht.“
„Was sie alles wissen“, spöttelte Zeelona.
Magua warft einen kurzen Blick auf die Brandung, ehe er die Piratenkönigin ansah. „War nur so ein Gedanke.“
„Sind sie abergläubisch?“
„Nein.“
„Hörte sich aber so an.“
„Ich frage mich manchmal, welche unbewussten Zusammenhänge wir für uns selbst erschaffen. Oft geht uns hinterher ein Licht auf und man fragt sich, wie man das übersehen konnte.“
Zeelona schüttelte den Kopf. „Das Schiff hat nur einen Zusammenhang. Einen Zusammenhang, den wir dem Kaiser als einen ersten Beweis für unseren guten Willen geben wollen.“
„Und?“
„Die Sacura ist ein Beutestück“, führte Zeelona aus. „Es fiel uns in die Hände, als wir eine entlegene Minenwelt überfallen haben. Dort gibt es eine geheime Werft, in der man solche Schiffe herstellt. Zumindest einen der großen Pötte. Und den habe ich mir gesichert. Das Design dürfte ihnen bekannt sein.“
„Imperiale Fregatte. Maxima-Klasse“, sagte Magua. „Man hat nur wenige davon gebaut.“
„Dennoch stellt der Bau eines solchen Schiffes einen Affront gegen die kaiserlichen Bestimmungen dar, oder nicht? Verrat. Ich bin mir da ziemlich sicher, dass ihr Dienstherr das ebenso sieht.“
„Wer ist der Verräter?“
„Graf Bandor.“
Magua versuchte seine Überraschung zu verbergen, was ihm offenbar nicht so gut gelang, wie er es sich wünschte. Jedenfalls grinste Zeelona überlegen und wendete sich wieder einigen der Hologramme zu. Der Darstellung eines Planetensystems, in dem sich ein Teil ihrer Flotte aufhielt, um Beute zu machen.
„Eine wertvolle Information, wie ich sehe“, bemerkte Zeelona beiläufig. „Und jetzt sollten Sie allmählich die Katze aus dem Sack lassen. Ich kann mir nicht vorstellen, dass uns der Kaiser Amnestie gewähren will, wenn wir für ihn Geleitschutz bereitstellen sollen, anstatt die Schiffe zu überfallen. Die geheimen Zahlungen an die Großkapitäne.“ Sie sah kurz zu Magua hinüber. „Ich habe das mal nicht weitergegeben. Solche Zahlungen sind für Verräter oder für imperiale Kapitäne akzeptabel, aber unter der Besatzung von Freibeuterschiffen, wäre das ein Grund den Captain über Bord gehen zu lassen. Bei uns muss jeder was vom Kuchen abbekommen. Dennoch hat mich dieses Angebot überrascht. Es würde den Staatsschatz doch erheblich schmälern. Ich frage mich, wozu der Kaiser eine Art Phantomflotte braucht. Gehen ihm die Ressourcen aus?“
Magua hatte Anweisung, nicht sofort mit dem ganzen Plan herauszurücken. Jetzt schien der Zeitpunkt dafür gekommen zu sein.
„Es geht um die Zerschlagung des GHOST-Konglomerats“, offenbarte Magua. „Die Verbrecher üben immer mehr Einfluss auf das Leben in Asgaroon aus. Das muss ein Ende haben.“
„Diese Leute haben keine Flotten, gegen die man kämpfen könnte“, warf Zeelona ein.
„Richtig. Obwohl sie natürlich auch über Schiffe verfügen, die sie für ihre Zwecke nutzen. Und es sind tatsächlich mehr, als du vielleicht glaubst. Uns geht es um die Strukturen. Für unsere Agenten ist es fast unmöglich, die Hierarchie der Schirku zu durchleuchten, geschweige denn in sie einzudringen.“
„Sie brauchen Abschaum, denen die Schirku Vertrauen entgegenbringen.“
Magua biss sich auf die Zunge. Zeelona gebrauchte beinahe dieselben Worte, die auch der Kaiser benutzt hatte. „Ich will es so ausdrücken. Ihr habt einen gewissen Vertrauensvorschuss, weil ihr denselben Feind habt.“
„Elegant ausgewichen.“
„Der Kaiser hat einen Brocken in den Raum geworfen, der für GHOST interessant sein könnte. Darüber hinaus für jeden, der über genügend Weitsicht verfügt.“
Zeelona sah neugierig aus. Endlich schaltete sie alle Hologramme ab und widmete Magua ihre gesamte Aufmerksamkeit.
„Scutra“, sagte Magua. „Sculpa Trax. Das ganze System.“
Zeelonas Gesichtsausdruck war schwer zu ergründen. Entweder war sie enttäuscht, oder kalkulierte gerade den Gewinn.
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