NOMADS 1 – Die Invasoren (Leseprobe)

NOMADS 1 – Die Invasoren

PROLOG

Der erste Kontakt zu einer außerirdischen Zivilisation fand am 21. Februar des Jahres 4589 statt und hatte nichts von alldem, was man sich von so einem Ereignis erhoffte oder in Verbindung damit, wünschte. Es gab kein glänzendes Raumschiff, das majestätisch und geheimnisvoll vom Himmel sank. Keinen hochgewachsenen, engelsgleichen Besucher, der mit unseren Anführern zu sprechen verlangte, um dann eine Rede vor den Vereinten Nationen zu halten. Da war kein Abgesandter einer weit fortgeschrittenen Zivilisation, der uns Frieden anbot, um die junge Menschheit an der Hand zu nehmen und in die Geheimnisse des Universums einzuführen. Kein überlegenes Konzept, die kleinlichen Streitigkeiten unter den Nationen und den ewigen Kampf, um die Ressourcen des Planeten beizulegen. Die Fremden hatten ihre eigenen Konflikte mitgebracht und sie zu unseren Problemen hinzugefügt.
Ich erinnere mich noch gut an die Tage, an denen der Erdboden zitterte und an die Nächte, erhellt von den die Breitseiten mächtiger Raumschiffe, die über den Himmel kreuzten. Der erste Kontakt zu den Außerirdischen war verstörend, brutal, angsteinflößend und besaß den Charme eines Faustschlags mitten ins Gesicht.
Ihr unerfreulicher Besuch hatte etwas überwältigend Beiläufiges an sich. Wir Menschen waren nicht einmal ein lästiges Übel, das über die Oberfläche der Erde kroch und die Truppenbewegungen der Kriegsparteien störte. Ein Übel konnte man nicht ignorieren. Auf ein Übel musste man reagieren, es bekämpfen, sich damit auseinandersetzen. Doch wir waren es nicht wert bekämpft zu werden, sondern waren einfach nur im Weg. Wir wurden beiläufig zertreten, wie Ameisen auf dem Gehweg. Und die Tatsache, dass wir es gleich mit zwei Kulturen zu tun bekamen, die ein interstellarer Krieg in die Randbezirke der Milchstraße verschlagen hatte, machte das Ganze nicht besser. Beeindruckend war lediglich das Ausmaß der Zerstörungen auf der Erde, den Mondsiedlungen und all den anderen Kolonien und den Planeten des Solsystems. Beeindruckend war auch die Beliebigkeit, mit der man ganze Kontinente verwüstete, um Basen und Stützpunkte zu errichten. Doch bald erkannten zumindest die Akkato den Wert der kleinen Erdbewohner. Wir erwiesen uns als zäh, ausdauernd, zuverlässig und unsere Fähigkeit zu leiden, erstaunte die hochgewachsenen Wesen mit den pferdeartigen Köpfen, die von einer grünen Welt mit dichten Urwäldern stammten. Man gab uns Waffen, bildete uns aus und schickte uns gegen die insektenartigen Keymon in den Kampf. Die Eingliederung der Menschheit in die verfeindete galaktische Familie erfolgte über von den Akkato eingerichteten Rekrutierungsstellen, oder dadurch, dass man kampffähige Individuen einfach entführte und gegen ihren Willen in die Flotte integrierte. Weder die Keymon noch die Akkato waren Menschenfreunde und auch im Umgang mit uns zeigten sie sich nicht zimperlich. Für mich war bald klar, dass wir für sie nur billiges Kanonenfutter darstellten, um die Verluste der waldbewohnenden Pferdeschädel gering zu halten.
Und so kam auch ich, Dominic Porter, in den zwiespältigen Genuss, meine erste Reise zu den Sternen anzutreten, um die Weiten der Galaxis zu erkunden und die wenig friedlichen Kulturen der Sternenwelt kennenzulernen.

 

Kapitel 1

September 4603

Dominic Porter saß vor einem ovalen, gepanzerten Fenster an Bord des Akkatoschiffes Skitra und blickte auf seine Heimat hinunter. Er würde in einem Monat sechsundzwanzig Jahre alt sein und gehörte schon zu einer Generation von jungen Menschen, die für ihr Alter bereits zu viel erlebt und durchgemacht hatte. Immerhin war er nicht vor seiner Zeit in die Jahre gekommen, wie etliche seiner Altersgenossen und vermochte sich seine jugendliche Sorglosigkeit zu bewahren. Manche hätten es vielleicht als Leichtfertigkeit angesehen, aber Dominic gehörte durchaus nicht zu der Sorte von Menschen, die ohne Mitgefühl und ohne Verantwortung durch das Leben gingen. Er versuchte lediglich, seine Haut zu retten und dafür war ein unversehrter Geist unverzichtbar.
In Dominics schmalem Gesicht, mit den hellen grünblauen Augen, suchte man die Sorgenfalten vergeblich. Sein kastanienbraunes Haar zeigte keinerlei graue Stellen, wie bei vielen anderen seiner Altersgenossen, bei denen die Angst weiße Strähnen hinterlassen hatte.
Dominic sah hinab auf die Lichtansammlungen der Städte Fargo, Willmar, Minneapolis. Zwischen ihnen sprenkelten die spärlichen Lichter unzähliger Dörfer, die verödeten Landstriche, wie einsame Sterne. Sie alle schrumpften zu kleinen glimmenden Punkten zusammen, je höher die Skitra stieg. Selbst die monströsen Säulen der Akkato-Stützpunkte wurden winziger und winziger. Dominic konnte von hier oben etwa zehn dieser Türme ausmachen, die sich in einer geraden Linie bis zum Horizont erstreckten und lange Schatten über das Land warfen, während die Morgenröte heraufzog.
Mächtige Akkato-Schiffe hatten an den Gebäuden festgemacht und warteten auf ihre Abfertigung. Zahllose Zubringerboote umschwirrten sie mit leuchtenden Triebwerken, wie Schwärme von Glühwürmchen, die um die Stämme riesiger Bäume kreisten.
Im Schimmer der Morgendämmerung begannen sich die Umrisse der großen Seen abzuzeichnen, die wie Bruchstücke polierter Spiegel glänzten. Ihnen fehlten mittlerweile die Formen, die Dominic im Schulunterricht kennengelernt hatte und ihm seit seiner Kindheit vertraut waren. Überall hatten Geschosse mit ihrer immensen Zerstörungskraft kreisrunde Löcher in den Boden gestanzt und die natürlichen Strukturen der Landschaft so sehr in Mitleidenschaft gezogen, dass nichts mehr an ihre ursprüngliche Gestalt erinnerte. Viele Krater hatten sich inzwischen mit Wasser gefüllt und überzogen den Erdboden in einem sonderbar anmutenden Muster, als wären Tropfen aus Quecksilber zu Boden gefallen. Im Glanz des neuen Tages sahen sie wie das Werk eines Künstlers aus, der sein Können an ganzen Planeten erprobt hatte und es dabei in Kauf nahm, Zivilisationen und Völker zu vernichten.
Über die Verluste an Menschenleben, die seit dem ersten Kontakt zu den Akkato und den Keymon zu beklagen waren, gab es nur Spekulationen. Und weder die eine, noch die andere Partei, schien Interesse daran zu haben, herauszufinden, welchen Schaden sie bisher angerichtet hatte. Die Erdbewohner und ihr Leid besaßen für den Krieg, den Akkato und Keymon schon seit Jahrtausenden gegeneinander führten, nur geringe Bedeutung. Doch immerhin stellte es sich heraus, dass die Akkato den Menschen etwas weniger Missachtung entgegenbrachten, als die insektoiden Keymon.
Während in den Gebieten, die von den Käfern beherrscht wurden, jede Infrastruktur zusammengebrochen war, konnte man in den Territorien, in denen die Akkato das Sagen hatten, noch relativ gut zurechtkommen. Viele, die diese Gebiete bewohnten, glaubten an die Rückkehr zu einem normalen Leben, sobald die Eindringlinge wieder abzogen. Aber Dominic hegte Zweifel, dass die Akkato oder Keymon jemals wieder von diesem Planeten verschwinden würden. Und selbst wenn, dann konnte das Leben auf der Erde nie wieder so sein, wie zuvor.
Dominic war nicht der Erste, der das erkannt und sich den Akkato im Kampf angeschlossen hatte, um sein Glück in den Weiten des Weltraums zu suchen. Allerdings führten die Akkato ihren Krieg an vielen Fronten, und die Wahrscheinlichkeit vorher zu sterben, war beinahe gewiss.
Die Skitra, was übersetzt »Schwert« bedeutete und die unter dem Kommando von Ulan Mestray stand, war für ihn vielmehr das geeignete Mittel, ihn zu den Sternen zu bringen. Und Mestray war ein ruhmreicher Akkatokrieger, der den Keymon mächtig eingeheizt und sie beinahe von der Erde vertrieben hatte. Beinahe – denn ein paar Wochen zuvor war bei den Käfern der Nachschub eingetroffen, weswegen sie ihre verbliebenen Stellungen hatten halten können. Warum man Ulan Mestray gerade in diesem Moment von der Erde abzog, konnte sich Dominic nicht erklären. Aber es war unnötig, sich darüber den Kopf zu zerbrechen. Die Akkatos würden ihn nicht in ihre unergründlichen Absichten einweihen und auf der Erde gab es nichts mehr, das ihn dort halten konnte. Nachdem eines der riesigen Keymon Schiffe über seiner Heimat abgestürzt war und nichts weiter als eine verkohlte Einöde hinterlassen hatte, in der seine Familie ihr Ende fand, wollte er allem den Rücken kehren, was ihn an sein verlorenes Zuhause erinnerte.
Schließlich schwenkte die Skitra auf einen Kurs ein, der sie aus dem Sonnensystem tragen sollte, und die Erde verschwand aus seinem Blickfeld. Dominic sprang von der Sitzbank vor dem Fenster und betrachtete den Raum, in dem er sich befand. Er war nicht besonders groß, schon gar nicht für Akkatoverhältnisse, da die ausgewachsenen Akkato die Menschen gewöhnlich um eine gute Armlänge überragten. Er strahlte die ruhige Feierlichkeit einer Kirche aus. In mehreren Öffnungen der Wände flackerte Licht, als ob Kerzen darin brannten. Ein herber Duft von Kräutern und aromatischen Harzen hing in der Luft. Es musste sich um einen Meditationsraum oder eine Art Kapelle handeln. Dominics Nase wurde von sonderbaren, süßen Düften erfüllt, die seinen Sinnen schmeichelten und für göttlichen Trost empfänglich machen sollten. Aber es waren auch die Formen, die ihn in seinen Bann zogen und angenehm auf seine Augen wirkten. Formen, die so ganz anders waren als alles, was Menschen konstruieren konnten. Sämtliche Strukturen flossen ineinander, als befände man sich im Inneren einer Pflanze. Es gab keine Kanten, keine Ecken oder rechte Winkel. Alles erschien in organisch und in steter Bewegung. Kein Wunder, dachte sich Dominic, denn jedes Schiff der Akkato war aus Holz gefertigt und bildete allein dadurch einen deutlichen Gegensatz zu den Fahrzeugen der Menschen oder der Keymon.
Die Schiffe und Bauwerke der Keymon schimmerten silber und kupferfarben, besaßen hier und da kantige Formen und waren von Ornamenten überzogen, von denen Dominic nicht sagen konnte, ob sie einfach nur zur Zierde dienten oder eine Funktion erfüllten. Die Schiffe der Akkato hingegen sahen wie fliegende Baumstämme aus und erweckten den Anschein, als wären sie von groben Äxten stromlinienförmig zugehauen worden. Erst bei näherer Betrachtung konnte man die feine Konstruktionsweise erkennen.
Bis vor Kurzem hatte Dominic noch nie eines der Schiffe von innen betrachten können und seine Faszination wuchs von Minute zu Minute. Die Skitra strahlte eine kraftvolle Würde aus, die an vielen Details zum Ausdruck kam. Organische, kraftstrotzende Formen, die den Eindruck vermittelten einen einzigen, festen Körper zu bilden, der keine Fugen besaß. Auch war alles größer, als auf den wenigen Schiffen, die die hünenhaften Akkato den Menschen zur Verfügung stellten und die man aufwendig an menschliche Größenverhältnisse angepasst hatte. Hier hatte man sich diese Mühe jedoch nicht gemacht. Konsolen, Quartiere und Gefechtsstände hatten die Akkatokonstrukteure ausschließlich für ihre Artgenossen geschaffen. Die Schalter, Knöpfe und Regler waren groß und für die kleinen Menschenhände ungeeignet.
Die Wohncontainer an Bord der Skitra, die aus den Militärbeständen der Erde stammten und irgendwie in den Besitz der Akkato gelangten, wirkten wie Fremdkörper. Sie dienten den Menschen als Unterkunft. Auch Dominic hatte sich bereits ein Bett und einen Spind gesichert. Es gab noch genügend Platz für weitere Rekruten, die in Kürze eintreffen würden und aus denen sich Dominic eine Truppe zusammenstellen durfte.
Dominic verließ den Meditationsraum, schlenderte durch die Korridore und erreichte schließlich die Kantine des Schiffes. Hier waren ein paar Tische und Stühle aufgestellt worden, die aus den Beständen der Menschenflotte stammten. Alle Menschenwesen an Bord der Skitra versammelten sich oft hier und nahmen ihr Essen ein. Auch jetzt sah Dominic etliche Menschen, die gerade ihre Mahlzeit einnahmen. Einige mit offensichtlichem Appetit und andere, die lustlos in ihren Tellern und Schüsseln herumstocherten. Darunter einige neue Gesichter. Es mussten etwa fünfzig, sechzig Menschen sein, schätzte Dominic. Männer und Frauen, im Alter zwischen zwanzig, bis vierzig. Die Neuankömmlinge waren ihm noch nicht vorgestellt worden. Dominic kannte weder ihre Namen noch ihre Ränge. Ein Shuttle hatte sie vom Sammelpunkt bei Dallas abgeholt und sie vor gut einer Stunde im Hangar der Skitra abgesetzt. Dominic ließ es sich nicht nehmen die Szene aus einiger Entfernung zu beobachten.
Der Akkatooffizier, der die Menschen empfing, sah davon ab, die komplizierten Namen der Rekruten herunterzuleiern, um zu überprüfen, ob alle angeforderten menschlichen Soldaten an Bord waren. Er blickte lediglich in die Gesichter der Neuankömmlinge und ab und an in sein Datenpad, um die Informationen abzugleichen, die er darauf ablesen konnte. Anschließend brachte die mürrische Kreatur die Menschen in Kantine und machte sich davon, ohne ihnen weitere Anweisungen zu erteilen. Jetzt harrten sie darauf, dass man ihnen ihre Quartiere zuwies. Man ließ sie warten und auch Dominic sah erst einmal davon ab, sich seine künftigen Kampfgefährten näher in Augenschein zu nehmen. Ihm gingen gerade zu viele Gedanken durch den Kopf, die er zuerst ordnen musste, bevor er sich der Probleme von Fremden widmen wollte. Nach seinem Spaziergang durch die Korridore der Skitra, fand er sich endlich hier in der Kantine ein, um die neuen Kameraden kennenzulernen.
Es war kein Gesicht darunter, dass Dominic kannte, aber einige von ihnen, schienen schon Zeit miteinander verbracht zu haben. An der Art und Weise, wie sie miteinander umgingen, schloss Dominic, dass sie gemeinsam in etlichen Gefechten gewesen waren. Sie plauderten unbekümmert und schienen sich über vergangene Einsätze und Erlebnisse zu unterhalten. Manchmal lachten sie oder kommentierten irgendeine Begebenheit mit spaßigen Bemerkungen, kehrten aber schnell zum gewohnten Ernst zurück. Andere hingegen saßen einsam und alleine vor ihrem Essen und musterten schweigend ihre Umgebung – distanziert, nachdenklich, misstrauisch. Einige machten den Eindruck, als seien sie Verluste gewöhnt und daher nicht darauf aus, neue Freundschaften zu schließen. Sie vermieden den Blickkontakt zu den anderen und saßen etwas abseits.
Angesichts der neuen und ungewohnten Situation, blickten viele der jungen Rekruten gespannt und unsicher umher. Zweifellos hatten auch sie noch nie zuvor ein Akkatoschiff von innen gesehen. Alle schienen sich klar darüber zu sein, sich an einem gefährlichen Ort zu befinden und dass jeden Augenblick die Hölle über sie hereinbrechen konnte.
Dominic erinnerte sich noch genau an den ersten Tag auf dem Zerstörer, dem er zugeteilt worden war – die Zora, unter dem Kommando von Daniel Perk. Auch er war sich damals einsam und verloren vorgekommen. Unsicher, angesichts der Abenteuer und Gefahren, die ihn noch erwarten würden. Er konnte die Jungen und Mädchen sehr gut verstehen. Dominic entschied sich dafür, sich mit achtzehn Jahren der Heimatflotte anzuschließen, und nun war er seit acht Jahren dabei.
„Ich dachte, ich komme mal zu Euch“, sagte er etwas unbeholfen, als er sich zu den Rekruten setzte.
„Allzu offensichtlich.“
Der säuerliche Kommentar kam von einem rothaarigen Jungen mit wasserblauen Augen, der ihm gegenübersaß. Porter ignorierte, die Worte des Jungen.
„Wo kommt ihr her?“, fuhr Porter unbeirrt fort.
„Wird ne Fragestunde“, setzte der Junge nach. „Dachte eigentlich, ich hätte die Verhöre endlich hinter mir.“
Dominic stand auf, um zu gehen. „Sorry. War eine dumme Idee.“
„Er hat es nicht so gemeint“, sagte eines der Mädchen, die neben dem Rotschopf saßen, woraufhin sich Porter wieder setzte. „Er ist nur aufgeregt, wie wir alle. Ich bin Sandra Dix, der vorlaute Kerl hier …“
„Ist David Moore“, kam ihr der Rothaarige zuvor. „Und der hat vor, Admiral zu werden. Aber Ihren Namen kennen wir immer noch nicht.“
„Mein Name ist Dominic Porter“, stelle er sich schließlich vor.
„Leutnant Dominic Porter“, merkte Moore mit geflissentlichem Blick auf Dominics Schulterklappen an.
Sandra Dix widmete Dominic ein schräges Lächeln. Ihre grünen Augen glitzerten. „Dann müssen wir vor Ihnen wohl salutieren.“
„Kommt aber darauf an, was der Captain dazu meint“, winkte Dominic ab. „In der Heimatflotte hat man sich viele Formalitäten abgewöhnt. Wie das hier gehandhabt wird, weiß ich nicht. Ich bin erst kurz vor euch hier angekommen“
Dominic empfand diesen Mangel an formaler Disziplin bedauerlich. Er führte zu vielen Problemen durch Respektlosigkeiten. Auch auf der Zora verursachte das ab und an Schwierigkeiten, aber er wollte an den gängigen Gepflogenheiten jetzt nicht rütteln oder darüber eine Debatte anfangen.
„Sind Sie schon lange im Einsatz?“, fragte ein anderer Junge, der vielleicht der Jüngste in der Truppe war. Er hatte ein schmales, wissbegieriges Gesicht, mit vielen Sommersprossen und kurze, weißblonde Haare.
„Ich habe auf der Zora gedient“, erklärte Dominic Porter, im Bewusstsein, dass diese Offenbarung eine Diskussion auslösen konnte. „Drei Jahre unter Captain Perk.“
„Die Zora?“ David Moore stand das Staunen ins Gesicht geschrieben. „Der Captain Perk? Daniel Perk?“
Dominic wurde klar, dass er einen Fehler gemacht hatte, indem er schon so früh damit herausgerückt war. Er hätte sagen können, die letzten Jahre auf einem Zerstörer, oder irgendeinem anderen Schiff gedient zu haben, ohne irgendeinen Namen zu nennen. Es gab tausende von Schiffen und er hätte sich einen Namen ausdenken können.
„Er hat seine Mannschaft an die Keymon verkauft.“ Das Mädchen mit dem breiten Gesicht und den braunen Haaren zeigte sich angewidert. „Wegen ihm haben wir zehntausend Mann verloren. Und drei Schlachtschiffe.“
Ein anderer Rekrut konnte sich nicht zurückhalten. „Es heißt, er sei ein Sklavenhändler. Er hat Menschen verkauft. An die Keymon und an anderer Völker in der Galaxis.“
Der Junge, der diese Behauptungen von sich gab, war für einen Soldaten ein wenig zu dick. Dominic fürchtete, er könne zu einem Problem werden, sollten sie eine Bodenoperation durchführen müssen. Warum hatten ihn seine Vorgesetzten nicht auf Vordermann gebracht?
„Halt die Klappe“, fuhr David Moore dem Dicken über den Mund. „Das war doch alles eine Verschwörung. Man wollte Perk ans Bein pissen.“
In diesem Moment beschloss Dominic, den Rothaarigen etwas mehr zu mögen.
„Es wurden viele Worte gemacht. Zu viele Worte.“ Dominic besah sich die Runde noch eingehender und es beschlich ihn ein Verdacht. „Ihr gehört irgendwie alle zusammen, aber im Kampf wart ihr nicht.“
„Wir kommen von der Universität“, informierte ihn Sandra Dix.
„Thomas Moore Universität in Baltimore“, ergänzte der Dicke.
„Ich wusste nicht, dass man jetzt schon Schüler rekrutiert“, wunderte sich Dominic.
„Wir sind ebenso gut wie alle anderen“, sagte das Mädchen mit dem breiten Gesicht.
Dominic wagte, das zu bezweifeln. Aber ihre Mitschüler schienen ebenso überzeugt von ihrer Kampfkraft zu sein, wie sie.
„Ihr werdet das noch früh genug unter Beweis stellen können“, sagte Dominic und blickte ernst in die Runde. „Aber Eifer ersetzt nicht die Erfahrung.“
„Nialla hat recht“, meinte Sandra mit einem Kopfnicken zu dem breitgesichtigen Mädchen. „Wir haben in unserem Diskussionskreis sämtliche Strategien beleuchtet, die in diesem Konflikt angewandt wurden. Wir wissen sehr gut Bescheid.“
„Diskussionskreis. Strategien beleuchtet. Sämtliche Strategien sogar.“ Dominic Porter musste alle Mühe aufwenden, um ein Kopfschütteln und ein Lachen zu unterdrücken. Er hatte die Retter der Menschheit gefunden, überlegte er amüsiert und würde sie nun auf den Kampfplatz führen. „Wer gehört noch zu eurer Gruppe?“
Sandra Dix stellte ihm den dicken Jungen vor, der Peter Norden hieß, Alex Donhall, mit den Sommersprossen, die breitgesichtige Nialla López und noch zwei andere Jungen. Christan Peskin und Frederik Zest sowie ein dunkelhaariges Mädchen namens Linda Sung mit leicht asiatischen Gesichtszügen.
Ein leiser Gongschlag kündigte das Kommen eines Akkato-Offizieres an. Die erfahrenen Soldaten im Raum erhoben sich eilig. Auch Dominic Porter stand auf und nahm Haltung an. Die Studenten folgten seinem Beispiel. Daumen an die Hosennaht, die Augen geradeaus, Schultern gestrafft. Perfekt. Wenigstens hatten sie das gut geübt, dachte sich Porter.
Der Akkato forderte die Menschen auf, ihm zu folgen, damit er sie zu ihren Unterkünften bringen konnte. Sie schulterten ihre Rucksäcke und folgten dem hünenhaften Wesen.
Die Unterkünfte der Menschen bestanden aus mehreren Wohncontainern, im Hangar der Skitra aufgereiht. Die Menschen konnten sich ihre Stubenkameraden selber wählen und bald hatten sich Gruppen zusammengefunden, die ihre Quartiere miteinander teilen wollten.
Porter forderte die Studenten auf, einen der Container zu beziehen, in dem er zuvor schon seine Sachen untergebracht hatte. Die jungen Leute begutachteten die Pritschen und Hochbetten misstrauisch. Offenbar hatten sie etwas mehr Luxus erwartet. Nicht die erste Enttäuschung, die ihnen widerfahren würde, dachte sich Porter.
Ein älterer Sergeant hatte sich ihnen angeschlossen und belegte das letzte freie Bett. Es handelte sich um einen kleinen gedrungenen Mann mit kurzen grauen Haaren und einem perfekt gestutzten Bart, der um das Kinn herum noch eine kupferrötliche Farbe zeigte. Er hieß Aaron Kruger und redete nicht viel. Nachdem er seine Pritsche geprüft, indem er sich daraufgelegt und sein Gepäck im Spind daneben verstaut hatte, begann er sein Gewehr zu zerlegen und zu reinigen, obwohl das augenscheinlich nicht nötig war. Kruger besaß zudem ein stattliches Arsenal von modifizierten Stich- und Faustfeuerwaffen, die er auf dem Boden vor seinem Bett ausbreitete.
Dominic hielt den Moment für gekommen, die Truppe unter sein Kommando zu stellen.
„Ich heiße euch auf der Skitra willkommen“, begann er die Neuen mit fester Stimme zu begrüßen, deren Aufmerksamkeit sich auf Dominic richtete. „Ihr habt die Unterkunft zehn dreiunddreissig gewählt. Ich bin Leutnant Dominic Porter und mit Eurer Entscheidung habt ihr euch ebenfalls bereit erklärt, euch unter mein Kommando zu stellen. Daran gibts nichts zu rütteln oder zu diskutieren. Die Akkato wünschen keine komplexe Bürokratie, was uns angeht. Eure Einheit ist also die Zehndreidrei. Im hinteren Teil des Quartiers findet ihr Duschen und Toiletten. Ich erwarte Ordnung und Sauberkeit. Wie mein Vater zu sagen pflegte, findet jeder Mensch, den es auf eine einsame Insel verschlägt, genügend Möglichkeiten, sich als zivilisiertes und gepflegtes Individuum zu präsentieren. Hier steht euch mehr als genug zur Verfügung, um diesem Ideal zu entsprechen.“
Er musterte die Männer und Frauen, die ihn irritiert anstarrten.
„Hat noch jemand Fragen?“, wollte Porter wissen, aber niemand schien in der Stimmung, das Wort an ihn zu richten. Weder Dix, noch Lopez oder einer der anderen Studenten rührten an das heikle Thema, um die Zora und Captain Perk, dass sie zuvor diskutiert hatten.
Dominic wünschte allen eine gute Nacht und beschloss, schlafen zu gehen. Alleine schon, um Fragen über seine Zeit auf der Zora aus dem Weg zu gehen, sollte doch noch jemand den Wunsch verspüren, seine Neugier zu befriedigen. Zum Glück war er nicht der Einzige, dessen Schlafbedürfnis Tribut forderte. Der Tag war für alle lang gewesen und der Transport von der Kaserne zum Sammelpunkt und vom Sammelpunkt auf die Skitra gewiss anstrengender als erwartet. Alle legten sich früh schlafen. Allerdings konnte Dominic keine Ruhe finden. Rastlos drehte er sich hin und her und starrte in die Dunkelheit. Seine Gedanken kreisten um all die Ereignisse, die ihn an diesen Ort gebracht hatten. Zurück zu der Zeit etwa sechs Jahre zuvor, als er sein zweites Ausbildungsjahr bei der Heimatflotte hinter sich gebracht hatte und seine Familie besuchte.

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