NOMADS LEGACY – Hörbuch (Kapitel 6)
Der Unendliche Traum. Gelesen von Georg Bruckman.
Eine weiteres Hörbuch Kapitel. In diesem Fall stammt die Lesung nicht aus der NOMADS Reihe um Dominic Porter. Bei “Der Unendliche Traum“ handelt es sich um eine Geschichte, die zwar im NOMADS Unversum spielt, jedoch zu einem Zeitpunkt der weiter in der Zukunft liegt. NOMADS spielt im 5. Jahrtausend, wohingegen NOMADS LEGACY im 130. Jahrtausend angesiedelt ist.
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Hörbuch-Leseprobe
NOMADS – LEGACY
Short Stories
Der Unendliche Traum
Kapitel 6
Weltenspringer
Die Tengiji erreichte ein großes Tor, das durch einen einfachen Hebelmechanismus verschlossen war. Sie öffnete es und trat in eine große Halle ein. Kaum war das geschehen, begann es heller zu werden. Ein quellenloses, fahlblaues Licht erfüllte die Umgebung und machte viele seltsame Maschinen und Geräte sichtbar. Sie erkannte Schmelzgruben und Fließkanäle. Ein Hochofen erhob sich in der Mitte des Domes, der in dunklem Rot glühte.
Was Sareena auffiel, waren drei mannshohe, metallene Objekte, von makelloser Ausfertigung. Eine Kugel, die auf einem Magnetfeld schwebte, ein quadratischer Würfel und ein rechteckiger, aufrecht stehender Monolith.
Sareena trat näher an die Objekte heran und bemerkte, dass sich die Oberfläche des Monolithen zu verändern begann. Es schien, als begänne sich seine Oberfläche zu bewegen, wie ein unruhiges Gewässer. Schillernde Wellen kräuselten sich darauf und unvermittelt trat eine Gestalt aus dem Monolithen heraus. Sie war zu Beginn diffus wie ein Nebel, aber sie verdichtete sich zusehends. Am Ende hatte sie eine feste Form angenommen und ein Mann in goldener Rüstung stand vor der Tengiji. Sein Gesicht war unter einem spiegelnden Visier verborgen.
„Du fragst dich sicher, was das soll?“, eröffnete der Sudey. „Aber ich will es kurz machen.“ Er trat näher auf Sareena zu, die von ihrer erhöhten Position auf ihn herabblickte. „Ich will dir deine Möglichkeiten zeigen.“
Sareenas Aufmerksamkeit war gebannt.
„Zuerst solltest du aus deinem Anzug herausklettern“, fuhr der Sudey fort. „Hier ist es warm. Keine Sorge. Es wird dir nichts geschehen.“
Sareena gehorchte ohne Zögern und auf ihren Befehl hin, ging die Maschine auf die Knie. Die metallene Panzerung öffnete sich von der Brust an bis zum Unterleib und die Tengiji konnte aussteigen.
Sareena richtete sich auf und streckte ihre Glieder. Sie rieb sich die Schultern und den Nacken. Es war angenehm, endlich dieser Apparatur ledig zu sein. „Ich sehe keine Fluchtmöglichkeit“, meinte sie verstimmt. „Sie machen sich einen Scherz mit mir, Sir Archibald“, zitierte sie die Worte aus einem alten Bühnenstück.
Der Mann schien die Andeutung zu verstehen und lächelte für einen Moment. „Dies alles sind Balori“, erklärte der Sudey schließlich und deutete auf die drei Metallobjekte. „Du kannst durch sie andere Orte sehen. Und Dinge berühren, die Lichtjahre entfernt sind.“
Sareena näherte sich den Balori interessiert. „Ich kann durch sie hindurchtreten, so wie du?“
„Gewiss.“
„Und verschwinden.“
Der Sudey antwortet nicht und Sareena zeigte sich enttäuscht.
„Wusste ich es doch. Es gibt also einen Haken“, brummte sie verärgert.
„Alle Dinge unterliegen Einschränkungen“, sagte der Sudey. „Alles andere wäre Zauberei. Willst du die Möglichkeiten kennenlernen, die dir diese Portale bieten?“
Sareena blieb skeptisch, trat aber an den Monolithen heran. Als sie jedoch ihre Hand ausstrecken wollte, um ihn zu berühren, hielt sie der Sudey zurück.
„Es ist gefährlich“, mahnte er. „Du darfst nicht vollständig hindurchtreten. Nur ein Teil von dir kann passieren und auf der anderen Seite agieren.“
Sareena verstand nicht.
„Ich will es einfach ausdrücken“, sagte der Sudey. „Das Balori erzeugt eine kompakte Simulation deiner Person, die du steuern kannst. Es ist quasi so, als wärest du transportiert worden. In Wirklichkeit aber handelt es sich um eine Informationsübermittlung auf Quantenebene, welche die Teilchen am Bestimmungsort dazu anregt, deine Gestalt anzunehmen. Die Informationsquelle – also du selbst – verbleibt an Ort und Stelle. Aber durch das geöffnete Portal könntest du auch hindurch schreiten. Das musst du unbedingt verhindern, denn mehr als die Hälfte der Information ginge dabei verloren.“
„Und ich wäre dann ein Geist“, vollendete Sareena.
Der Sudey schien beeindruckt und ließ ihre Worte unkommentiert.
Sareena berührte das Balori und fühlte elektrische Entladungen, als ein Kitzeln an ihren Fingerspitzen. „Wohin kann ich gehen?“
„Überall dorthin, wo sich ein anderes Balori befindet“, sagte der geheimnisvolle Mann. „Aber du kannst auch an Orte gezogen werden, wo einmal eines stand. Baloris imprägnieren ihre Umgebung. Das hat mit der Entropie zu tun, der alles unterliegt.“ Er stellte sich hinter Sareena und umfasste ihre Schultern.
„Wofür ist das?“, wollte die Tengiji wissen.
„Ich werde dich davor bewahren, hindurch zu schreiten.“
„Und wenn ich das wollte?“
„Daran könnte ich dich letztlich nicht hindern. Aber du wirst das nicht tun.“
„Woher wissen sie das?
„Weil du frei sein willst. Aber nicht als halber Mensch.“
Er hatte recht. Sareena würde nicht auf diese Weise fliehen und schon gar nicht zu diesem Preis.
Sie konzentrierte sich, und während sie die Hände gegen das Metall drückte, begann ihre Umgebung zu verschwimmen. Unvermittelt schien sie in einen Abgrund zu stürzen. Sie glaubte zu fallen, jagte vorbei an Sternen und Planeten, flog über Kontinente, Länder und Ozeane. Es war ein unkontrollierter Flug, der ihr beinahe die Sinne raubte. Sie fühlte, wie der Sudey ihre Schultern drückte, und vernahm seine Stimme.
„Ich bin bei dir“, beruhigte er sie. „Richte deine Gedanken auf einen Ort, den du kennst und der dir vertraut ist.“
Sareena rief sich den Garten des Palastes auf Komeru ins Gedächtnis zurück und augenblicklich tauchten vielfarbige Flächen in ihrem Blickfeld auf. Schemen, Schatten und Farben gerannen zu festen Formen. Vor Sareenas Augen entstanden Bäume und Sträucher, Wiesen und prächtige Blumenbeete, unter einem freundlichen blauen Himmel.
Sareena war von diesem Eindruck schier überwältigt. Nach all den Tagen, die sie in den Stollen und Schmelzkammern zugebracht hatte, endlich einen heiteren, sonnigen Sommertag zu erleben, war überwältigend. Sie sog die Luft in ihre Lungen und genoss den Duft der zahllosen, exotischen Blüten.
Wer immer nun der Besitzer dieses Gartens war, hatte offenbar Gefallen an ihm gefunden. Nichts war verändert. Alles war genauso perfekt, wie es Sareena in Erinnerung hatte.
Sie ging über eine Wiese und betrachtete einen Strauch Rosen. Die Blüten leuchteten im Sonnenlicht und Bienen summten in der Luft.
„Wer sind Sie?“, knarrte eine barsche Stimme in harschem Befehlston.
Sareena wandte sich um und sah in die Gesichter zweier Wachsoldaten, in der roten Uniform des Hauses Atara.
Sie antwortete nicht darauf, wandte sich wieder den Rosen zu, knickte einen Stängel, mit einer prächtigen Blüte und sah genussvoll hinauf in den blauen Himmel. Sie konzentrierte sich wieder auf die Gefängniswelt Kassun und verschwand vor den verblüfften Gesichtern der Soldaten. Sareena fiel zurück in das Tauvarusystem, aber für einen Moment fühlte sie sich, als wäre sie in einen Sog geraten, der sie unwiderstehlich vom Kurs abbrachte.
„Ich könnte dich bis ans Ende des Universums schleudern“, dröhnte eine tiefe männliche Stimme in ihrem Kopf. „Bildest du dir ein, hier so sorglos herumschwimmen zu können, wie eine kleine Sardine in einem Bächlein?“
„Wer bist du?“, fragte Sareena ängstlich und hörte zugleich, wie der Sudey beruhigend auf sie einredete. „Bleib ganz gelassen“, hauchte er. „Das ist Rassaru, ein Kiray. Genauer gesagt, der Torlenker des Fayroo im Kassunsystem. Hab keine Angst, ich bin bei dir. Ich kann jederzeit eingreifen.“
„Ich könnte dich zermalmen“, fuhr der Kiray unbeirrt fort, Sareena einzuschüchtern.
„Warum tust du es nicht?“, konterte sie und Rassaru schwieg für einen Moment.
„Nicht schlecht“, meinte er anerkennend. „Mut hast du ja.“
„Du sorgst für die Transporte zwischen den Systemen?“, wollte Sareena wissen.
„Meine Möglichkeiten gehen weit darüber hinaus“, erklärte der Kiray weiter. „Ich lasse nicht zu, dass jemand von hier entkommt oder diese Welt betritt. Ich habe viele Schiffe fortgeschleudert. Hinein in die Flammen zorniger Sterne oder in die Abgründe der Finsternis.“
„Du beherrschst den Raum?“
„Ich bin der Raum.“
„Er neigt zur Übertreibung“, flüsterte der Sudey mit leichtem Spott. „Aber im Grunde hat er recht.“
Sareena konnte ein Schmunzeln nicht verbergen und meinte daraufhin den Kiray lachen zu hören. „Du wirst es sehen, kleine Kriegerin. Du wirst es noch sehen.“
Mit diesen Worten stieß sie der Kiray von sich und Sareena trudelte erneut durch den Raum. Während sie dem Planeten Kassun zustürzte, materialisierte sie für einen Augenblick in der vertrauten Anlage in den Bergen des Tauvaru. Die nebelhaften Formen verdichteten sich und für einige Sekunden befand sich die Tengiji in einem dunklen Gewölbe, tief unter dem Berg. Sie sah Briggo, den widerlichen Akkatoaufseher, der ihr so oft übel mitgespielt hatte. Er kniete vor ihr und sah verblüfft aus.
„Du?“, knurrte er erstaunt. Er schien jemand anderen erwartet zu haben.
Sareena sah hinter sich und erkannte ein weiteres Balori, das im Schein trüber Lampen in sattem Bronzeton glänzte.
Die Tengiji konzentrierte sich erneut auf die Fabrik in der Eiswüste und materialisierte kurz darauf in der Halle des Gebäudes. Sie trat einen Schritt zurück und starrte auf den Monolithen, dessen Oberfläche sich gerade wieder verfestigte.
Sie benötigte einige Sekunden, um ihre Fassung wieder zu erlangen. Danach sah sie sich nach dem Sudey um, aber der war verschwunden.
Sareena betrachtete die Blume, die sie aus dem Palastgarten mitgebracht hatte und noch immer in den Händen hielt. Sie hatte ihre Farbenpracht verloren und ihr Duft war kaum noch wahrnehmbar. Sareena neigte die Rose und eine Biene fiel heraus. Das Insekt war aschgrau und zerfiel zu Staub, als es den Boden berührte.
…
Der Sturm machte Sareena den Rückweg fast unmöglich. Die Sicht war zwar klar, und sie konnte den hell erleuchteten Gleiter erkennen, aber der Wind trieb einen dichten Schleier von Schneekristallen, in Kniehöhe, gegen ihre Beine. Bei jedem Schritt lief sie Gefahr, zu stürzen und hilflos über das Eis zu schlittern. Es war eine anstrengende und gefährliche Plackerei.
Als sie endlich ihre Freunde erreichte, wurde gerade der letzte Aureblock an Bord gehievt. Die Gruppe machte sich fertig für die Abfahrt und Sareena empfand Freude bei dem Gedanken, sich für die nächsten acht Stunden in ihrem stählernen Kokon schlafen zu können, während sie wieder “Nach Hause“ fuhren.
„Und?“, fragte Jem. „Was hast du für neue Erkenntnisse gewonnen.“
Sareena wollte ihm das nicht hier und jetzt erzählen. „Ich sag`s dir, wenn wir wieder zurück sind.“
Jem akzeptierte ihre Antwort und scheuchte die Mannschaft zurück auf den Gleiter.
…
„Verdammter Mist!“, fluchte Jem. „Die haben uns doch wohl nicht vergessen.“
Immer wieder überprüfte er die Position des Gleiters und starrte auf die Magnettrasse neben dem Fahrzeug.
Es war kein Zug da, um sie aufzunehmen.
„Wir sind ihnen bestimmt nicht wichtig“, murmelte Sareena. „Aber sie werden das Aure nicht hier liegen lassen.“
„Es wäre schon fatal für uns“, meinte Tonja ernst, „wenn sie sich entschließen, es erst in ein paar Tagen zu holen.“
„Da hat sie recht“, stimmte Jig zu. „Hast du denn keinen Kontakt zur Anlage?“
„Nein“, antwortete Jem. „Ich hab vor acht Stunden gemeldet, dass wir das Zeug haben. Die Zentrale hat es bestätigt. Dann habe ich abgeschaltet.“ Er überprüfte nochmals die Verbindung. „Der Kontakt ist aufgebaut, aber es antwortet niemand.“
„Was machen wir jetzt?“, fragte jemand aus der Gruppe.
„Warten wollen wir wohl nicht, oder?“, meinte Jig.
„Wir fahren mit dem Gleiter“, erklärte der Oponi. „Das kann aber ziemlich lange dauern. Ich muss manuell steuern.“
…
Nach endlosen zwanzig Stunden Fahrt durch die Eiswüste war Jem am Ende seiner Kräfte. Endlich kamen die ersten Ausläufer der Berge in Sicht und er atmete auf.
Der Schienenstrang führte schnurgerade durch die Felslandschaft und durchstieß etliche Bergmassive. Jem hatte keine andere Wahl, als den Gleiter durch die Tunnel zu lenken, auch wenn dabei die Gefahr bestand, mit einem Zug zusammenzustoßen. Aber das war letztendlich egal. Würde er es nicht gewagt haben und es wäre nötig gewesen sich einen Weg zu Fuss durch die Berge zu suchen, hätte das ebenfalls ihr Todesurteil bedeutet.
Das Schneetreiben wurde wieder dichter und auf dem letzten Teil der Strecke, musste Jem alle Konzentration aufbringen, um den Gleiter sicher in die Anlage zu steuern.
Die Bahnstation war verwaist. Niemand war da, um die Ladung in Empfang zu nehmen.
Sareena sah sich um, ohne aus ihrer Rüstung zu steigen. Irgendetwas stimmte hier nicht und es war besser, den Panzer vorerst nicht abzulegen. Sie öffnete lediglich die Frontseite ihres Helmes, horchte auf Geräusche und beobachtete. Auch die anderen wagten nicht, aus ihren Rüstungen zu schlüpfen. Man konnte sich in diesen schweren, kraftstrotzenden Apparaturen sehr gut seiner Haut wehren, sollte das nötig sein.
Eine schwere Explosion erschütterte den Boden.
„Das war ganz nah“, bemerkte Jig und stapfte in die Richtung, aus welcher der Detonationsdonner gekommen war. Er erreichte den Eingang zu einem Korridor, als ihm eine dicke Rauchwolke entgegenquoll.
Sareena verschloss ihren Helm, stampfte zu Jig hinüber und stellte sich, in Kampfposition, in den Torbogen hinein. Tonja und Jem polterten der Tengiji hinterher und nahmen in ihrem Rücken Aufstellung.
„Was ist hier nur passiert?“, fragte Sareena.
„Möglicherweise ist eine Magmablase aufgestiegen und geplatzt“, vermutete Jem. „Kommt aber nur selten vor.“
Kaum hatte er das gesagt, prallten Schüsse gegen seinen Panzeranzug. Die Wucht der Projektile war gering, aber ein Hydraulikschlauch wurde getroffen und sein rechter Arm senkte sich langsam herab, bis er nutzlos an seiner Seite baumelte.
Sareena reagierte instinktiv, machte einen Satz in den verqualmten Gang hinein und es gelang ihr, einen der Angreifer zu packen. Es war einer der Guthrikwächter, der mit einer Vibroklinge nach ihrem Kopf schlug. Sie schleuderte das Wesen über die Köpfe der anderen hinweg. Es prallte hart gegen einen Felsvorsprung und blieb liegen.
Jig wehrte sich gegen drei weitere Angreifer, die ihn bald zu Boden geworfen und getötet hätten, wäre Jem ihm nicht zur Hilfe gekommen. Der Oponi schlug mit seinem brauchbaren Arm auf die Gothreks ein. Er zertrümmerte einen Schädel und das Blut spritzte auf die Felsen. Mit den klauenartigen Fingern bekam Jem einen weiteren am Hals zu fassen und drückte zu. Mit hässlichem Knirschen splitterten die Chitinplatten und das Genick des Gothrek brach. Nach einem kurzen, intensiven Kampf, hatten sie alle Feinde getötet.
„Na, das wird uns den Exilantentod einbringen“, knurrte Jem. „Jetzt haben wir nichts mehr zu verlieren.“
„Egal“, antwortete Jig, „Ich werde das Ding noch eine Weile anbehalten und mich so teuer wie möglich verkaufen.“